Reihe: nein
Autor: Emil Ostrovski
Originaltitel: The Paradox of Vertical Flight
Genre: Jugendbuch, Gegenwartsliteratur
Verlag: FISCHER FJB (24. Juli 2014)
ISBN: 978-3841421609
Seiten: 304
Der 18-jährige Jack Polovsky entführt seinen neugeborenen und zur Adoption freigegebenen Sohn, um ihn seiner dementen Großmutter zu zeigen.
Und so gerät alles aus den Fugen.
Jack kauft ein Auto, holt seinen besten Freund Tommy und später auch die Mutter des Kindes dazu, und gemeinsam sind sie zwei Tage lang auf der Flucht vor der Polizei.
Jack bespricht dabei schon mal die ganz großen Themen des Lebens mit seinem Sohn. Der heißt nämlich Sokrates – zumindest für Jack.
(Bild- und Textquelle: Fischer FJB)
Einstieg ins Buch:
Im Regen verschwimmt die Welt vor dem Restaurant, sie verwandelt sich in ein Trugbild, das sich durch Wind, Wasser und Licht ständig verändert.
"Wo ein bisschen Zeit ist ...." wurde mir als Geheimtipp ans Herz gelegt und die Inhaltsangabe versprach genau das, was ich mir wünschte: Tiefsinniges kombiniert mit Humor.
Doch nach einem kurzen Prolog wurde ich zu einem deprimierten Jack und seinen recht verwirrenden Gedanken geworfen. Er studiert sogar an einem Suicid herum, doch als er die erste Pille schlucken will, klingelt sein Handy und seine Exfreundin eröffnet ihm, dass sie in wenigen Momenten sein Kind zur Welt bringen will.
Als Jack dann seinen Sohn in den Händen hält, nimmt das Schicksal seinen Lauf - oder besser gesagt: Er nimmt seinen Sohn und möchte ihn seiner an Alzheimer leidenden Grossmutter vorstellen.
Als sie nichts erwidert, rede ich einfach weiter. Ich muss den Raum zwischen uns mit Worten ausfüllen. (Jack, Seite 21)
Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Jack geschildert. Er ist ein sympathischer Teenager, der jedoch noch seinen Platz in der Gesellschaft sucht. Er macht sich Gedanken über Gott und die Welt und führt mit seinem Sohn, den er liebevoll Sokrates nennt, imaginiere Diskussionen, die sehr philosophisch und manchmal auch etwas abgehoben sind. So sind in Emil Ostrovskis Debüt das Erwachsen werden, die Freundschaft, der Sinn des Lebens im Allgemeinen zentrale Fragen, die zum Mitdenken anregen.
Die Geschichte, die Sprache ist sicher keine einfache und doch kommt der Humor nicht zu kurz. Als Mutter muss man zwar das eine oder andere Mal wegschauen - denn wer füttert schon ein Neugeborenes mit Apfelmus? - doch die Kombination von viel Philosophie mit einem rechten Schuss Ironie, tut gut.
Er sagte, dass nur sehr wenige Menschen einen Freund fürs Leben finden. Dass man wahre Freundschaft, eine Freundschaft, der die Launen des Schicksals nichts anhaben können, wahrscheinlich nur ein einziges Mal findet, und das auch nur, wenn man Glück hat. (Seite 149/150)
"Wo ein bisschen Zeit ist ..." ist ein ungeschliffener Diamant, der wohl nur von einem kleinen Teil Leser entdeckt wird - und wohl auch beim Zielpublikum keinen Hype auslösen wird. "Wo ein bisschen Zeit ist ...." ist weit weg von Mainstream, lässt sich nicht einfach locker flockig weglesen. Man muss etwas dafür tun und bekommt dafür eine tiefsinnige, aber trotzdem unterhaltsame Suche eines Teenagers nach sich selbst und seinem Platz in der Welt und dabei den Spagat zwischen Kindskopf und Philosoph beherrscht.
" ... hast du den Verlustschmerz mal als Bestätigung dafür betrachtet, dass du am Leben bist und etwas zu verlieren hast?" (Seite 150)
"Wo ein bisschen Zeit ist ..." ist ganz bestimmt nicht jedermanns Sache. Dazu ist es zu anders, zu speziell, zu philosophisch .... jedoch auch witzig und herzerwärmend.
Ein Roadtrip mit drei Teenagern und einem Baby .... und es lohnt sich einzusteigen.
Ein Roadtrip mit drei Teenagern und einem Baby .... und es lohnt sich einzusteigen.
Foto: Julia Rabkin |
Emil Ostrovski ist 23, er emigrierte mit seiner Familie aus Russland in die USA als er zwei Jahre alt war. Er mag Macarons, hat Philosophie studiert und verbringt mehr als ein bisschen Zeit auf langen Spaziergängen, beim Lesen von Kant und bei seinem Creative-Writing-Studium. Dies ist sein erster Roman.
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